Bierkrüge sind seine Leidenschaft
Brittnau Wolfgang Dietrich sammelt seit seiner Kindheit Brauereiartikel aus der ganzen Schweiz
VON CAROLINE KIENBERGER
Sauber aneinandergereiht stehen rund 700 Bierkrüge in einer Vitrine im Keller. Sicher aufbewahrt hinter Glas, die Schranktüren mit Schaumstoff abgedichtet, damit die Krüge nicht verstauben. «So muss ich sie nur alle drei bis vier Jahre abwischen», sagt Wolfgang Dietrich aus Brittnau. Der 72-Jährige sammelt seit seiner Kindheit Schweizer Brauereiartikel. Erwacht ist die Leidenschaft,
als er als Bub eine Schachtel mit Biertellern verschie-dener Schweizer Brauereien in die Hände bekam. «Das gab mir den Kick zum Sammeln», sagt er. Fortan nahm er in den Wirtschaften die Karton-untersetzer mit, bis er kistenweise davon besass. Später ergänzte er die Sammlung mit Flaschenöffnern, Karaffen und Bier-gläsern. Das Gläsersortiment wuchs über die Jahrzehnte stetig an, bis plötzlich über 1000 Stück den Keller des Einfamilienhauses der Familie Dietrich füllten.
Der Raum platzte aus allen Nähten. «Schweren Herzens habe ich die Gläser darum verkauft», erinnert sich der pensionierte Gewerbeschullehrer. Doch die Sammelleidenschaft trieb ihn weiter an: Er begann, statt Biergläsern Bierkrüge zu sammeln. «Weil ich dachte, es gibt schweizweit weniger Humpen als Gläser.» Dass er sich getäuscht hat, zeigen die mehreren hundert Krüge in den Vitrinen: Es gibt sie in braunem Steingut und mit handbemaltem Schriftzug, aus glänzendem Zinn mit eingraviertem Brauerei-Logo oder aus grau glasiertem Porzellan, bedruckt. Der Platz für die Trinkgefässe reicht schon längst nicht mehr: Viele Humpen muss Dietrich im Regal hintereinanderstellen. Damit er den Überblick trotzdem nicht verliert, hat er die Krüge katalogisiert.
Das Verzeichnis kann er auf seinem iPad und seiner Homepage jederzeit abrufen (www.wdbier.ch).
Ein Stück Zofinger Geschichte
Die meisten der Humpen stammen von den Brauereien Haldengut und Hürlimann. Beide Unternehmen existieren heute nicht mehr. «Meine Sammlung zeigt, wie viele Schweizer Brauereien im Lauf der Zeit ver-schwunden sind», sagt Dietrich. In seiner Sammlung befinden sich auch Bierkrüge der Klosterbrauerei aus Zofingen, die 1862 eröffnet und 1972 geschlossen wurde. «Senn-Bier» wurde das Klosterbräu genannt, nach dem Namen der Brauerfamilie. Die Firma stand dort, wo sich heute das Hotel Zofingen befindet. «Ich lerne beim Sammeln viel über die Geschichte der Brauereien», sagt Dietrich. Einmal war er selbst kurz in einer tätig: Bevor er Gewerbeschullehrer wurde, arbeitete der gelernte Maurer unter anderem als Polier auf dem Bau. Eine Baustelle befand sich 1970 in der Brauerei Baumberger in Langenthal: Das Produktions-gebäude wurde damals aufgestockt. «Ich fand die Atmosphäre in der Brauerei faszinierend», sagt Dietrich. «Dieser hopfige Duft in den Räumen, der Geruch beim Einmaischen.» Die Freude an den Aromen bewegte ihn vor elf Jahren dazu, daheim im Keller sein eigenes Bier zu brauen. «Männerobe- Bier» nennt er seine Kreation – ein herbes Amber. Aus einem seiner Humpen trinkt er es aber nie. Schon gar nicht aus der Flasche. «Das habe ich nur früher auf dem Bau gemacht.» Dietrich giesst sein selbst gebrautes Bier nur in Gläser. «So sehe ich auch seine schöne Bernsteinfarbe», sagt er.
Die Bierhumpen-Sammlung hat für Wolfgang Dietrich einen grossen persönlichen Wert. Materiell betrachtet bedeuteten sie dagegen wenig: Ein neuer Humpen kostet rund acht Franken. Für historische Krüge hat Dietrich bislang auch nicht viel mehr bezahlt. Zwar gebe es Humpen, die zu Preisen von rund 200 Franken im Internet gehandelt würden. Dietrich weigert sich allerdings, für einen Bierkrug so viel Geld auszugeben. Einmal bot ihm ein Sammler eine Hürlimann-Serie von 29 Krügen, die der Zoo Zürich in den 1960er Jahren in Auftrag gegeben hatte. Er forderte dafür 430 Franken. «Das sind Fantasiepreise», sagt Dietrich kopf-schüttelnd. Er habe die gleiche Sammlung später im Internet für nur drei Franken ersteigert. Neue Fund-stücke findet er auch auf Flohmärkten, in Brockenstuben oder alten Restaurants. Als Mitglied von «Gambrinus» dem Schweizer Verein für Sammler von Brauerei-artikeln, tauscht er auch viele Humpen. Seine Frau Hannelore störe sich nicht an seiner Sammel-leidenschaft. «Solange die Krüge hier unten im Keller bleiben, ist alles in Ordnung», sagt Wolfgang Dietrich und lacht.
Die Sammlung kann daheim bei Wolfgang Dietrich besichtigt werden. Kontakt «Humpenkatalog» gibt es auf der folgenden Webseite: www.wdbier.ch
Zofinger Tagblatt 21. Juli 2017
Brittnouer Blättli Sommer 2017
VON ERIK SCHWICKARDI
Mein erstes Bier trank ich wohl mit 16 oder 17», sagt Wolfgang Dietrich (70) und lacht. Damals verdiente Dietrich als Maurer-Lehrling 70 Rappen in der Stunde - genauso viel kostete eine Flasche Bier. «Und auf dem Bau wurde in den 60er-Jahren kein Eistee oder Orangina getrunken» Das erste Bier sei wohl ein «Langenthaler Bier» gewesen, erinnert sich Dietrich, der im bernischen Langenthal aufgewachsen ist. Jahrelang war er als Ausbildner bei den Maurerlehrhallen, der Ausbildungsstätte des Schweizerischen Baumeisterverbandes, in Sursee tätig. Maurermeister und Experte Wolfgang Dietrich machte sich einen Namen als Autor des «Taschenbuchs für Maurer». Dieses Standardwerk für Bauführer und Poliere ist in allen Landessprachen bis heute vielerorts geschätzt als wichtiges Nachschlagewerk.
DIE SAMMELLEIDENSCHAFT rund ums Bier erwachte beim pensionierten Gewerbeschullehrer erst spät. «Per Zufall kam mir ein Set mit Bierdeckeln aller grossen Schweizer Brauereien in die Hand.» Wie bei vielen Sammlern hat sich «das alles irgendwie ergeben», es kam immer mal ein Stück dazu. Heute besitzt Wolfgang Dietrich 700 verschiedene Bierhumpen, 200 Flaschenöffner diverser Brauereien sowie zigtausend Bierdeckel. In vielstöckigen Vitrinen schlummern die Bierkrüge, fein säuberlich nach Jahrgängen und Marken geordnet - vom Adler Bräu (Schwanden GL) über die Birreria Nazionale (Locarno) bis zur Brauerei Ziegelhof (Liesta1). «Die Tonkrüge dürften heute aus hygienischen Gründen gar nicht mehr verwendet werden.» Vom O,5-Liter bis zum 5-Liter-Humpen sind die imposanten Krüge Zeugen aus einer Zeit, als man Atemtests und Alkoholkontrollen nicht mal vom Hörensagen kannte.
«ICH HABE NATORLICH immer Freude, wenn jemand auf einem Estrich oder in einem Keller etwas findet und mir vermacht», sagt Dietrich. Sein Traum wäre es, die komplette Sammlung irgendwo auszustellen. «Zum Beispiel in einem originellen Bierlokal oder einer Brauerei» Als begeisterter Bier-Liebhaber braut Dietrich, zusammen mit seinem Freund Ruedi Lienhard, ein- bis zweimal im Jahr sogar sein eigenes Bier. Seine Hausmarke nennt der Brittnauer «Männerobe..Bier». Der neuste Sud ist das «Pharaonen-Bier» mit fünf Alkoholprozent. «Es schmeckt herb und würzig, ähnlich einem Pils.»
Bierartikel-Sammler sind wie Biertrinker heimatverbunden und traditionsbewusst. «Wer Bierartikel sammelt. muss unweigerlich einiges über die Geschichte der Schweizer Brauereien wissen. Viele sind ja leider von der Bildfläche verschwunden» Älteren Aargauern noch in Erinnerung sind das Rheinfelder Salmenbräu. die Brauerei Falken in Baden oder das Zofinger Bier. Während es zu Beginn des 19.Jahrhunderts in der Schweiz rund 150 Brauereien gab. waren es vor 20 Jahren nur noch 30. Der Bier-Boom in den letzten Jahren löste jedoch ein regelrechtes Revival der Bierkultur aus. Mittlerweile gibt es in der Schweiz rund 400 Brauereien, darunter auch viele kleinere, trendige Bier-Brands wie das «Brusbacher Bräu» aus Villrnergen, das «Lägerebräu» aus Wettingen oder das «Turbinenbräu» Zürich. «Für uns Bierartikel-Sammler natürlich ein Eldorado. So gibt es immer wieder Nachschub für die Sammlung», sagt Dietrich.
«Ein Bierdeckel für 140 Stutz kann mal vorkommen - aber das ist äusserst selten,» Wer Bierdeckel, Flaschenöffner, Bier-Dosen, Gläser und Humpen sammelt, dem geht es nicht darum, einen Wert anzuhäufen. «Das ist kaum möglich in diesem Sammelgebiet. Reich werden mit dem Sammeln von alten Bierdeckeln und Humpen kann man nicht - eher im Gegenteil, sagt Dietrich und lacht. im Mittelpunkt steht vielmehr die Freude an der Bierkultur.» Der Brittnauer Bier-Spezialist legt grossen Wert darauf. dass bei den Bier-Fans alles kultiviert zu und her geht: «Wir sind kein Saufklub.»
VEREINIGT SIND die Bier-Sammler seit 1972 im Verein „Gambrinus“. Dieser Verein der Schweizer Sammler von Brauereiartikeln ist in mehrere Stammtische gegliedert. Wolfgang Dietrich ist Mitglied der Sektion Mittelland, der die Kantone Aargau, Bern und Solothurn angeschlossen sind. Gemeinsam werden Brauereien besucht, gefachsimpelt, Bier-Artikel getauscht oder verkauft. «Beim SamichlausHöck geht es immer besonders hoch zu und her», erzählt Wolfgang Dietrich. Manche Bier-Fans präsentieren im Kofferraum ihrer Autos die halbe Sammlung und bieten seltene Bier-Trouvaillen wie historische Bier-Emailschilder und andere Raritäten zum Kauf an. «WIr freuen uns immer auch über junge Bier-Sammler. Der Nachwuchs fehlt leider etwas.»
Chlaus-Höck des Vereins Gambrinus mit Börse am Samstag, 21. November, 10 bis 17 Uhr im Restaurant Sonne in Brittnau. Anmeldung bei Wolfgang Dietrich (0627522847)
Wir freuen uns immer auch über junge BierSammler. Der Nachwuchs fehlt leider etwas.»
Schweiz am Sonntag / Aargau 15. Nov. 2015
Er ist wirklich ein äusserst vielseitig interessierter Mann. Die Brittnauerinnen und Brittnauer kennen ihn vor allem als Präsident der Einwohnervereinigung, der sich jeweils im Vorfeld von Wahlen stark engagiert, und als Präsident der Abfallkommissi.on. In seiner Wohnung an der Hardstrasse 6 steht aber
Von Edy Weber
auch ein geräumiges Aquarium und an der Wand hängt sogar ein echter, von seinem Vater gemalten, Dietrich. Von Beruf ist er Maurermeister und arbeitet heute als Chefinstruktor (Ausbildner) von Maurern in den Lehrhallen von Sursee. Auf dem Bau wird zwar ab und zu Bier getrunken, trotzdem war dies nicht der Anstoss zu seinem recht ungewöhnlichen Hobby. «Diesen erhielt ich bei einem Besuch in der Versuchsstation der Schweizer Brauereien in Zürich», erklärt Wolfgang Dietrich dazu. «Dort waren in einer Vitrine Gläser ausgestellt, welche mich sofort faszinierten. Ich sehe mich aber nicht als ein (vergifteten Sammler von Biertellern, -gläsern, -humpen und -etiketten, denn ich werde dabei oft vom Zufall geleitet. Wenn beispielsweise jemand etwas auf dem Estrich übrig hat, das er gerne loswerden möchte, so kann er sich mit mir in Verbindung setzen. Es gibt manchmal aber auch Sammler, die ihr Sortiment auflösen. Das sogenannte Rückwärtssammeln ist jedoch sehr viel schwieriger als Neuheiten zu erstehen. Die Gläser und Humpen sind grösstenteils erbettelt oder an Flohmärkten, in Brockenhausern oder sogar in Restaurants gekauft worden.»
Wenn man weiss, dass es in der Schweiz rund 8500 bekannte Bierteller gibt und Wolfgang Dietrich davon nicht weniger als deren 6500 beisitzt, so ist kaum anzunehmen, dass er diese alle einzeln zusammengesucht hat. Dazu erklärt er: «Die Vereinigung Schweizer Biertellersammler <Gambrinus> gibt mir die Garantie, dass Neuheiten zu etwa 90 Prozent erhältlich sind. Es gibt also auch bei Erstausgaben immer wieder Stücke, die dem Sammler entgehen. Dem Garnbrinus. gehören aber Leute an, die engen Kontakt zu Brauereien pflegen und somit die neuen Teller jeweils in grösseren Mengen abholen können. In einer zentralen Stelle werden sie abgepackt und schliesslich jedem einzelnen Vereinsmitglied zugestellt. Die Brauereien unterstützen die Sammler gratis, weil diese sich gleichzeitig verpflichten, bei Neuausgaben stellvertretend nur eine Person vorbeizuschicken, welche alles für alle abholt.»
Über Dietrichs Kellertreppe steht ein Regal mit unzähligen Bierhumpen die alle schweizerischer Herkunft sind. Nebst einem grossen Schrank, der mit den verschiedensten Formen von Gläsern vollgestopft ist, musste für die Aufbewahrung auch die Garage herhalten. Damit er einigermassen eine Kontrolle über den ausserordentlich reichhaltigen Bestand hat, ist eine Fotografie jedes einzelnen Glases fein säuberlich in einem Ordner abgelegt. Selbstverständlich sind auch die 6500 Bierteller eingeordnet und nehmen dafür ein ganzes Archiv mit mehreren Dutzend Mappen in Anspruch. Quasi als «drittes Bein» in seiner Sammlung hat er dort noch etliche Etiketten aufbewahrt. «Diese habe ich jeweils an Tauschtreffen von Tellern erhalten», antwortet er auf die entsprechende Frage. «Irgendwann besass ich einfach so viele, dass davon ebenfalls eine geordnete Sammlung angelegt wurde. Es ist eine Leidenschaft, etwa gleich wie bei den Briefmarken. Wenn einem von einer Serie ein Stück fehlt, so lässt es einen nicht los, bis diese eben vollständig ist. Im Gegensatz zu den Briefmarken hat eine solche Auswahl jedoch keinen finanziellen Wert, sondern höchstens einen ideellen. Die Sammlung eines Kollegen aus Tellern, Humpen und Flaschen, welche von der Brauerei Feldschlösschen zu einem namhaften Betrag aufgekauft wurde, bildet da schon eine grosse Ausnahme und ist mit Sicherheit nie das Ziel eines 'Bier-Samlers.
Es ist einfach die blosse Freude, ein Stück zu ergattern, das einem eben noch fehlt. In der Schweiz gibt es Sortimente, die noch einiges umfangreicher sind als das meinige. Mit Flaschen habe ich sowieso gar nie begonnen und Aludosen horte ich aus prinzipiellen Gründen keine.»
Die Gambrinus-Vereinigung gibt ein eigenes Mitteilungsblatt für den ganzen deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) heraus, das quartalsweise erscheint. Dort werden alle Neuheiten (Etiketten, Teller) fein säuberlich aufgeführt. Auf die Frage, ob es ausserdem weitere Aktivitäten dieses Vereins gibt. weiss Dietrich zu berichten: «Jedes Jahr wählen wir den schönsten Bierteller und ehren die entsprechende Brauerei mit einem Preis. Im weiteren finden viele Tauschtreffen sowie Plausch- oder andere gesellige Anlässe statt. Die Region Bern/ Aargau organisiert jeweils einen (Chlaushockl in der näheren Umgebung von Brittnau, bei dem auch kleine Versteigerungen durchgeführt werden. Letztmals waren nicht weniger als 50 Personen anwesend.»
Sozusagen als kleine «Delikatesse» hat Wolfgang Dietrich eine Rechnung des ehemaligen Zofinger Unternehmens Klosteroraü vom 30. November 1929 aufbewahrt. 50 Flaschen zu 0,58 Liter werden darin zu 12 Franken und 50 Rappen (exklusiv Depot) verkauft. Mit leichtem Schmunzeln erklärt er: «Es erfüllt mich schon ein bisschen mit Wehmut, wenn um die Jahrhundertwende die ganze Schweiz über 100 verschiedene Brauereien zählte, heute davon aber bloss noch 25 übriggeblieben sind, die sich immer mehr gegenseitig aufkaufen. Wenn man weiss, wieviel Arbeitsaufwand die Herstellung des Bieres verursacht (Brauen, Lagern usw.) bis es schliesslich genossen werden darf, so sollte es eigentlich viel teurer als das Mineralwasser sein.»
Im Hinblick auf die 1100-Jahr-Feier der Gemeinde Brittnau und dem 100jährigen Jubiläum der Musikgesellschaft hat Wolfgang Dietrich ein Sujet für einen speziellen BierteIler kreiert, der von der Brauerei Hürlimann herausgegeben wird. Auch möchte er seine ganze Sammlung einmal an einer Hobbyausstellung präsentieren. Im Moment ist er jedoch mit all seinen Ämtern und Aufgaben derart stark ausgelastet, dass dies zurzeit nicht möglich ist.
Zofinger Tagblatt Juli 1994
Letzte Aktualisierung: 11. Juni. 2024